Theophil Laitenberger
Psalm 104 Kantate für Soli,
Chor und Orchester
Partitur
Digitalausgabe
Psalm 104
1981
Kantate für Sopran, Tenor, Bass, Chor,
Holzbläser, 3 Trompeten, Schlagwerk, Streicher [Uraufführung 1982 in Kirchheim/Teck]
Auf der Suche nach einem nicht allzu häufig vertonten Bibeltext für eine geistliche Musik hat mich der Psalm 104 besonders gefesselt. Diese großartige Entfaltung des Panoramas der Schöpfung kam meiner Absicht, etwas Festlich-Freudiges zu schaffen, mit der poetischen Bildhaftigkeit seiner Sprache sehr entgegen. In einer Zeit wie der unsrigen, wo uns tagtäglich so viel Übel und Widrigkeiten vor Augen gestellt werden, verlieren wir leicht das Gefühl dafür, wie viel Gutes und Schönes wir immer noch haben. Und sollte nicht gerade die Musik dazu helfen, dass wir, von dem Hintergrund der Gefährdungen aus, uns dem Positiven an Gütern und Gaben, die uns das Leben bietet, zuwenden und ihrer dankbar innewerden?
Die Wahl dieses Textes bestimmte nun auch mehr oder weniger die Form der Musik. Eine Aufgliederung in der Art einer Bachkantate nach Chor, Arie, Rezitativ schien mir nicht möglich. Hierfür wären lyrische oder meditative Einschübe notwendig gewesen, die ich nicht vornehmen wollte. Wohl aber ließ sich der Text, da und dort etwas verkürzt, in vier Abschnitte aufteilen:
III. Das Jahr, Nacht und Tag, der Mensch und seine Arbeit.
IV. Das irdische Sein und sein Verhältnis zum göttlichen Sein. Lobpreis.
Man wundert sich, dass dieser prachtvolle Psalm mit seinen mannigfachen Bezügen zur Schöpfungsgeschichte und der Ausdruckskraft seiner archaische Zeiten widerspiegelnden Sprache nicht schon des Öfteren einer Komposition als Vorlage gedient hat, dass nicht der eine oder andere von den großen Meistern früherer Epochen mit diesem Hymnus auf die Herrlichkeit Gottes als des Weltschöpfers eine Art Seitenstück zur „Schöpfung“ von Haydn geschaffen hat. Wenn ein 78jähriger - in diesem Alter habe ich den Psalm komponiert - die Vertonung eines solchen Textes vornimmt, so wird man von ihm von vornherein nicht den dernier cri experimenteller Musik erwarten dürfen, wohl aber, dass er an seiner Zeit nicht vorbei- gelebt hat und ihr Anstöße zu entnehmen sich gedrungen fühlte, noch mehr aber, dass er, aufs Ganze gesehen, an den überzeitlichen Grundlagen der Musik festhält, das um so mehr, als der Psalm von den Naturgegebenheiten der Schöpfung redet, was ein allzu konstruierendes, verfremdendes Verfahren des Komponisten von sich aus ausschließt. Die Anbindung an die Tradition mag für das Erfasst werden des zeitbewussten Hörers von der Musik ihre Gefahren haben, bei lebendiger musikalischer Verarbeitung aber geringere als das rigorose Abrücken von den Grundbedingungen, die für die Gestaltwerdung von Musik Voraussetzung sind und ihre Wirkungsmächtigkeit verbürgen.
Mit dem folgenden Teil „Du fährst auf den Wolken ...“ war die Aufgabe gestellt, den Wolkenwagen, Wind und Feuerflammen zu malen. Schon die Singstimme, jetzt der Solobass, versucht, das einigermaßen anschaulich zu machen, noch mehr aber die sich hinschiebenden Cluster der Holzbläser (der Wolkenwagen) und die sausenden Figuren von Violine und Flöte I (der Wind), die sich zuletzt chromatisch in das musikalische Abbild der emporzüngelnden und schließlich hochschlagenden Feuerflammen hinein entwickeln. Eine gewaltige Eruption zum Schluss wird vor allem durch Beckenschlag und Tamtam wiedergegeben. Nach einer völligen Stille heben die Instrumente wieder leise an: eine Überleitung in Anlehnung an die ersten Takte des ganzen Satzes, etwas dissonanter und chromatisch stärker auf geladen, aber im crescendo sieghaft mündend in die Wiederholung des „Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich“. Es endet aber diesmal in der Paralleltonart g-moll, und die schon bekannten Überleitungsfiguren führen zum nächsten Vers: „Die Berge gingen hoch hervor“. Auf kräftigem Pauken-c aufbauend steigen die Stimmen allmählich hinauf, und die Instrumente setzen diese Aufgipfelung bis zu einem mächtigen Klangblock fort. Und nun „setzen sich die Täler herunter“. Dafür habe ich liebliche Sexten in den Frauenstimmen eingesetzt. In vier Takten Zwischenspiel von Flöte, Oboe, Klarinette und Glockenspiel soll kurz die friedliche Welt etwa des Hirten, der im Tal seine Herde hütet, vor dem geistigen Auge erstehen. Und das geht nun in sakrale Feierlichkeit über, wenn von dem „Ort, den du ihnen gegründet hast“, die Rede ist. Beim nächsten Vers „Du lässest Brunnen quellen in den Gründen ...“ treten die Cluster, die die dahin ziehenden Wolken darstellten, wieder auf, jetzt in tieferer Lage, und das Fagott lässt die Bergwasser sprudeln. Auch in der Solostimme, diesmal dem Tenor, ist eine solche Fließbewegung. In dem den ganzen ersten Teil abschließenden Vers sind dann noch von den Lebewesen, die das Tal bevölkern, die Vögel genannt. Ihren Gesang - man kann in ihm ein unbewusst absichtsloses Lobgetöne sehen - führen im Wettstreit Solosopran, Flöte und Viola aus, und danach kommen allmählich alle Instrumente, sich gegenseitig steigernd, wieder hinzu zum nochmaligen „Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich“. Es dürfte deutlich werden, dass dieser ganze Satz zwar vom Ausdrucksmäßigen, das bis zum realistisch Tonmalerischen geht, aber auch vom innermusikalisch Formellen her gestaltet ist. Die Tonartenfolge berücksichtigt im Ganzen die der Haupttonart am nächsten liegenden Bereiche, Dominanttonart, Paralleltonart und deren Dominanten, ohne einem starren Schema zu folgen, sondern jeweils vom Text her motiviert und auch gelegentliche chromatische Abschweifungen nicht ausschließend.
So beginnt dieser Schöpfungspsalm - ERSTER AB- SCHNITT - mit dem voll instrumentierten Dreiklang, der ja, da aus der Obertonreihe stammend, als Naturgeschenk uns gegeben ist. Trompeten und Pauken, von alters her Symbole sowohl weltlicher als göttlicher Herrschaft, durften dabei nicht fehlen. Hinzu treten die zwischen Oktave und Quinte, den beiden Urintervallen, sich bewegenden Bässe, im 3. Takt die sich hinaufschwingende Skala, im weiteren Fortgang, auf Streicher und Holzbläser verteilt, die bereits in seltenere Klangbildungen chromatisch vorstoßenden, eine gewisse Farbigkeit bringenden, Quarten. Das zusammen bereitet den Choreinsatz vor: „Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich“. In der Führung der Vokalstimmen ist stets eine durchgestaltete, sangliche Melodik angestrebt, die Wichtiges im Text unterstreicht, so hier durch die hohe Führung des Tenors das „du bist schön“ und durch das lang gehaltene, hoch liegende b das „sehr herrlich“ des Basses. Zur Umspielung der Stimmen wird das Skalenmotiv des Anfangs verwendet, das auch in das kleine Nachspiel noch hineinwirkt. Diese zwölf Chortakte kehren nach der Durchführung der nächsten drei Verse wieder, ebenso am Schluss des ganzen Abschnitts, so dass dieser den Charakter eines Rondos erhält und nicht nur eine vom Text her begrün- dete Zusammenfügung von Musik, sondern eine auch im rein Musikalischen sich erfüllende Form darstellt. Für den Vers „Licht ist dein Kleid“ habe ich die Frauenstimmen in hoher Lage eingesetzt, die leeren Quint- und Quartklänge, hohe Holzbläser und der Lichtglanz des Triangels sollen den Eindruck einer gewissermaßen gläsernen Helle bewirken. Nun folgen die Männerstimmen in hoher Lage: „Du breitest aus den Himmel wie einen Teppich“. Es ist an den Sternenhimmel ge- dacht, wobei, wenn der gemischte Chor einsetzt, wiederum Holzbläser und Triangel ihn andeuten sollen.
Mit dem folgenden Teil „Du fährst auf den Wolken ...“ war die Aufgabe gestellt, den Wolkenwagen, Wind und Feuerflammen zu malen. Schon die Singstimme, jetzt der Solobass, versucht, das einigermaßen anschaulich zu machen, noch mehr aber die sich hinschiebenden Cluster der Holzbläser (der Wolkenwagen) und die sausenden Figuren von Violine und Flöte I (der Wind), die sich zuletzt chromatisch in das musikalische Abbild der emporzüngelnden und schließlich hochschlagenden Feuerflammen hinein entwickeln. Eine gewaltige Eruption zum Schluss wird vor allem durch Beckenschlag und Tamtam wiedergegeben. Nach einer völligen Stille heben die Instrumente wieder leise an: eine Überleitung in Anlehnung an die ersten Takte des ganzen Satzes, etwas dissonanter und chromatisch stärker auf geladen, aber im crescendo sieghaft mündend in die Wiederholung des „Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich“. Es endet aber diesmal in der Paralleltonart g-moll, und die schon bekannten Überleitungsfiguren führen zum nächsten Vers: „Die Berge gingen hoch hervor“. Auf kräftigem Pauken-c aufbauend steigen die Stimmen allmählich hinauf, und die Instrumente setzen diese Aufgipfelung bis zu einem mächtigen Klang- block fort. Und nun „setzen sich die Täler herunter“. Dafür habe ich liebliche Sexten in den Frauenstimmen eingesetzt. In vier Takten Zwischenspiel von Flöte, Oboe, Klarinette und Glockenspiel soll kurz die friedliche Welt etwa des Hirten, der im Tal seine Herde hütet, vor dem geistigen Auge erstehen. Und das geht nun in sakrale Feierlichkeit über, wenn von dem „Ort, den du ihnen gegründet hast“, die Rede ist. Beim nächsten Vers „Du lässest Brunnen quellen in den Gründen ...“ treten die Cluster, die die dahin ziehenden Wolken darstellten, wieder auf, jetzt in tieferer Lage, und das Fagott lässt die Bergwasser sprudeln. Auch in der Solostimme, diesmal dem Tenor, ist eine solche Fließbewegung. In dem den ganzen ersten Teil abschließenden Vers sind dann noch von den Lebewesen, die das Tal bevölkern, die Vögel genannt. Ihren Ge- sang - man kann in ihm ein unbewusst absichtsloses Lobgetöne sehen - führen im Wettstreit Solosopran, Flöte und Viola aus, und danach kommen allmählich alle Instrumente, sich gegenseitig steigernd, wieder hinzu zum nochmaligen „Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich“. Es dürfte deutlich werden, dass dieser ganze Satz zwar vom Ausdrucksmäßigen, das bis zum realis- tisch Tonmalerischen geht, aber auch vom innermusikalisch Formellen her gestaltet ist.
Die Tonartenfolge berücksichtigt im Ganzen die der Haupttonart am nächsten liegenden Bereiche, Dominanttonart, Paralleltonart und deren Dominanten, ohne einem starren Schema zu folgen, sondern jeweils vom Text her motiviert und auch gelegentliche chromatische Abschweifungen nicht ausschließend.
Der ZWEITE ABSCHNITT der Kantate wird mit einem chaconneartigen Bassthema und dessen Fortbildung eröffnet. Es ist vom Regen die Rede, der die Berge feuchtet, und die Violinen spielen über diesem Bass Figuren, die wie fallende Tropfen, zuerst langsam und schwer, dann reichlicher fließend herniedergehen. Der zugehörigen, in der Wiederholung vom dreistimmigen Chor aufgenommenen Weise des Solosoprans „Du machst das Land voll Früchte, die du schaffest“ suchte ich eine möglichst schlichte, dem Natur- und Volksempfinden Rechnung tragende Fassung zu geben. Die Melodie sollte nicht unbedingt die Züge geistlicher Strenge tragen, sondern auch den musikalisch vielleicht nicht sonderlich engagierten Bürger, der den Sonntag auf seinem Gütle verbringt, ansprechen. Für den nächsten, nicht mehr auf das Chaconne- Thema gerichteten, Vers fand ich in der Choralweise „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ eine geeignete Vorlage. Durch eine entsprechende Rhythmisierung ließ sich die Melodie in die Form des Kanons bringen, der jeweils solistisch von Bass und Tenor ausgeführt und dann vom Chor wiederholt wird. Die instrumentale Begleitung beschränkt sich mehr oder weniger auf eine einfache harmonische Stützung der Kanonstimmen. Ein 2. Vers in dieser Art mit dem Text „und dass der Wein erfreue des Menschen Herz“ führt in der von Oboe und Violine gespielten Überstimme ein keckes, Fröhlichkeit zum Ausdruck bringendes, Motiv durch. Das bereitet eine reine Instrumentalmusik zur Emtefeier vor, in der nun das Chaconne-Thema mit der darüberliegenden, den Früchtesegen besingenden, Melo- die und diese Fröhlichkeit demonstrierenden Figuren weiter verarbeitet werden und zu einem Lebensfreude atmenden Abschluss des ganzen Teils führen.
Der DRITTE ABSCHNITT, das Jahr und vor allem Nacht und Tag behandelnd, beginnt als Notturno: Über den tiefen Holzbläsern scheint das Mondlicht der Flöte auf, wenn der Solobass anstimmt: „Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen“. Nach „die Sonne weiß ihren Niedergang“, von der Violine begleitet, tritt Finsternis ein; das sowohl von der Flöte als der Violine benützte Motiv wird jetzt vom Fagott in tiefer Lage gespielt. Pianissimo-Trommelwirbel kündigt Gefahr an: „da regen sich alle wilden Tiere“. Es ist die Klarinette, die das Lauern, den Sprung auf die Beute, die grimmigen Bisse mit charakteristischer Figurengebärde nach- zeichnet. Das Brüllen der Löwen steckt in den Trillern der Oboe über einem dissonanten Akkorduntergrund. Nun aber wird der Bass vom Solosopran abgelöst: „Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich davon ...“. Dazu erklingt wieder die Sonnenmelodie der Violine. Bei dem Wort „Sonne“ erfolgt ein Triangel- schlag: Der erste Sonnenstrahl blitzt auf am Horizont.
Für den Gesang des Soprans habe ich noch einmal eine Choralweise umgebildet: „Die helle Sonn’ leucht jetzt herfür“, womit die vorausgegangene nächtliche Szene auf den Menschen bezogen wird, der mit diesen Tönen zugleich seinen Dank für die Behütung in der Nacht ausdrückt. Den an die Arbeit gehenden Menschen vertritt der Tenor. Da das Ackerwerk besonders genannt wird, habe ich nochmals das Chaconne-Thema des zweiten Satzes verwendet, über dem sich nun aber keine Begleitmelodie mehr entfaltet, sondern dem nur noch die dumpfe Motorik der Pauke an die Seite ge- stellt wird zur Kennzeichnung des monotonnüchternen Arbeitsalltags. Nach ein paar Überleitungstakten setzt, wie nach dem vorigen Teil die Erntefeier, jetzt die Abendfeier ein. Hier ist eine traditionelle Haltung im musikalischen Gebaren am stärksten ausgeprägt. Der Feierabend soll Entspannung bringen, nicht mit ungewohnt Fremdem schockieren. Thematisch wird das bei Sonne, Mond, Finsternis aufgetretene Motiv weiter ausgesponnen, schließlich variiert die Solovioline das Thema der Abendfeier, nicht allzu virtuos, aber damit doch andeutend, dass der Feierabend auch die Pflege des Individuellen, vielleicht sogar Elitären, mit einschließen kann. Der Gesamtverlauf des dritten Abschnitts der Kantate macht deutlich, dass eine ge- wisse Einheitlichkeit gewahrt ist, da das motivische Grundelement bestehen bleibt. Im Sinne organisch gewachsener Einheitlichkeit ist es auch, dass der VIERTE ABSCHNITT der Kantate das Eingangsthema des ersten Teils „Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich“ wieder aufnimmt, mit dem Text
„Herr, wie sind deine Werke so groß und viel“. In die ersten acht Takte ist jetzt der Anruf „Herr, Herr ... “ hineingewoben. Für die Fortsetzung nach dem ersten Vers konnte für die Worte „Du hast sie alle weislich geordnet“ nur der imitatorische Stil in Frage kommen, durch den eine weisliche Ordnung der Stimmen hergestellt wird. „Und die Erde ist voll deiner Güter“ ist thematisch ähnlich wie „Du breitest aus den Himmel wie einen Teppich“ im ersten Abschnitt. Und wie dort wird wiederholt: „Herr, wie sind deine Werke so groß und viel“ . Ein Neuansatz wird benötigt bei dem Vers „Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest ...“. Er ist als a-cappella-Satz geschrieben, womit die schlechthinige Abhängigkeit des Menschen von der schenkenden Gnade Gottes, das ihm Ausgeliefertsein ohne jegliches Hilfsmittel, ohne dass ein Instrumentarium etwas bewirken kann, zum Ausdruck kommen soll.
Besonders zu beachten ist das wiederholte „auf dich“, das im Nacheinander der Stimmen eindringlich hervor- treten soll. Schier unermüdlich dann der imitatorische Fleiß des „Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie“, der auch noch bei „wenn du deine Hand auftust“ anhält. Diese Zeile dürfte ein besonders einleuchtendes Bei- spiel sein, wie das Wort in der musikalischen Geste Gestalt gewinnen kann. Ein langgehaltener Ton: das ist die geschlossene Hand, die sich dann - siehe der Quintfall - öffnet und ihren Inhalt ausschüttet. Dass, was der Alt zuerst singt, im Sopran gesteigert fortgesetzt wird, soll die Wirkung dieser Stelle erhöhen. Der sich anschließende Teil verlangt wieder den Solis- ten. „Verbirgst du dein Antlitz, so erschrecken sie“ bringt die in der Wirkung schärfste Dissonanz, die in der Kantate vorkommt. „Du nimmst weg ihren Odem“ führt in der Flöte zum Stocken in den Tönen. Leiser Trommelwirbel und tiefste Holzbläser bei „und werden wieder zu Staub“. Das Neuerschaffen des Menschen und die Erneuerung der Erdgestalt, von dem der Tenor im nächsten Vers singt, wird wieder durch Urklänge und Urschritte versinnbildlicht: Leere Quart- und Quintklänge und in der hartnäckigen Bewegung der Achtel von Violine und Flöte ebensolche Tonschritte, das ist, wie wenn durch formende Meißelschläge und durch erweckenden Atem die starre Masse allmählich Gestalt und Leben gewinnt. Ein Aufsteigen der Streicher in Sekundschritten durch fast zwei Oktaven leitet den Triumphgesang ein: „Die Ehre des Herrn ist ewig“, eröffnet durch die Trompeten, aber dann vom vollen Orchester begleitet. Hier konnte auf homophone Akkordgewalt, auf fest gefügte Harmonien (in die aber die Trompeten doch noch Dissonanzspannungen hereinbringen) zunächst nicht verzichtet werden. Doch gibt die Fortsetzung, in der das Thema zuerst den Männer-, dann den Frauenstimmen anvertraut wird, der Szene eine neue Beleuchtung. Es schließt sich in Fugenform das Gelöbnis an: „Ich will dem Herrn sin- gen ...“, wobei der Anfang des Themas eine Umkehrung von „Die Ehre des Herrn“ darstellt. Neuer Einsatz des Hauptthemas „Die Ehre des Herrn….“.
In den Gesangsstimmen herrscht jetzt der Homsatz, die Folge von Sext-, Quint- und Terzzusammenklängen, sowohl beim Sopran-Alt als beim Tenor-Bass. Dadurch, dass sich die Frauenstimmen in längeren Notenwerten als die Männerstimmen bewegen, sind die jeweiligen Konsonanzen so ineinander verschränkt, dass ein neues Klangbild farbiger Dissonanzen ent- steht, überglänzt von der 1. Trompete in ständig hoher Lage. Angefügt ist nun ein mehr in Moll gehaltener Zwischenteil, in dem das Thema, figurativ angereichert, weitergeführt wird, um bei „Der Herr hat Wohl- gefallen“ in den maestoso vorzutragenden letzten Einsatz, der noch einmal die Ehre des Herrn verkündet, zu münden. Das „ist ewig“ geht dann schließlich über in die Musik, die auch schon am Anfang war: „Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich“.
Quelle: Erhard Frieß „Thematisch-systematisches Verzeichnis der Werke von Theophil Laitenberger (LWV) Textteil S. 5-7
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