Der am 31. März 1888 im südmährischen Nikolsburg (Mikulov) geborene und am 17. März 1988, wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag, in Bonn verstorbene Johannes Bammer erhielt seine umfassende musikalische Ausbildung bei so unterschiedlichen Meistern wie Johannes Reichert in Teplitz-Schönau, den Gebrüdern Johannes und Kurt Striegler sowie Joseph Gustav Mraczek in Dresden, Hans Gàl in Wien und Alois Hába sowie Vitězslav Novák in Prag und fand schließlich zu einem allen äußeren Effekten und gewollten Modernismen abholden Musik mit klaren Linien und großem Atem.
„Sie sehen nach außen und das vor allem dürfen Sie jetzt nicht tun. Niemand kann Ihnen raten und helfen. Es gibt nur ein einziges Mittel. Gehen Sie in sich. Erforschen Sie den Grund, der Sie schreiben heißt; prüfen Sie, ob er in der tiefsten Stelle Ihres Herzens seine Wurzeln ausstreckt“, riet einst Bammers Landsmann Rainer Maria Rilke einem jungen Dichter. Ein Rat, dem auch Bammer folgte, der seine geistlichen Kompositionen wie Brot und Wein für Sopran, Violine und Orgel (sm 70201 X) und das vorliegende Andante religioso in der äußerst bedrückenden Zeit schrieb, als die kleine, in Nordböhmen gelegene sudetendeutsche Industriestadt Rumburg (Rumburk), in der er seit 1920 wirkte, durch die bereits weitgehend erfolgte Vertreibung ihrer alteingesessenen deutschen Bevölkerung schon stark entvölkert war, seine schwerkranke Frau im Krankenhaus lag und er die Gewißheit hatte, daß auch seine und seiner Familie Vertreibung bald bevorstand.
Am 26. Mai 1946 vollendete Bammer dann sein Andante religioso für Violine und Orgel. Die 13minütige Komposition hebt mit einem schlichten, demütigen Gesang der Violine an und verströmt sich in weitgeschwungenen Melodiebögen. Nur selten übernimmt die Orgel wenige Takte allein, durchwegs ist sie an ihrem freien, weitgehend kontrapunktischem Satz ein dem Violinpart engstens verbundener Partner. Tröstliches, aus der Kraft des Glaubens gewonnen, überwiegt das Schmerzliche.